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Steffen Freund ist auch als TV-Experte aktiv
Klopp, Can, Matip - bei Goal spricht Freund über die German Reds: Warum die Zwischenbilanz dürftig ausfällt, es dennoch Grund zur Hoffnung gibt.
England war lange seine Wahlheimat: Er kickte in Tottenham und für Leicester City, erlag nach dem Karriereende abermals dem Lockruf von der Insel. Steffen Freund (46) hat die Premier League hautnah erlebt. Im Goal-Interview zieht er eine Zwischenbilanz für Jürgen Klopp und blickt auf das Capital-One-Cup-Finale des FC Liverpool gegen Manchester City (Sonntag, 17.30 Uhr im LIVE-STREAM bei Goal TV).
Herr Freund, nach drei Jahren sind Sie nicht mehr Angestellter der Hotspur. Statt erstmal zu verschnaufen, wurden Sie zum Unternehmer. Worum geht es dabei?
Steffen Freund: Unsere Firma OPTEAMUS beschäftigt sich mit Vereinsoptimierung. In der Wirtschaft wird seit Jahren an Strukturen gearbeitet. Fußball-Vereine sind mittlerweile ebenfalls Unternehmen und sollten regelmäßig optimiert und weiterentwickelt werden. Genau dort setzen wir an. Der Fokus liegt nicht ausschließlich auf Großklubs; dort gibt es in jedem Bereich ganz klare Zuständigkeiten und Strukturen. Wir wollen vielmehr zum Beispiel einem Regionalligisten helfen, den nächsten Schritt in den bezahlten Fußball zu schaffen. Denn: Sportlicher Erfolg ist planbar.
Wie definieren Sie Ihre Rolle in diesem Projekt?
Freund: Es geht in erster Linie darum, mein Wissen zur Verfügung zu stellen. Mein Geschäftspartner kümmert sich um den wirtschaftlichen Bereich, ich um den sportlichen. Wir wollen den Klubs helfen, noch professioneller zu arbeiten. Wofür steht man, was ist die Vision und welche Philosophie passt dazu? Hier setzen wir mit Daten, Fakten und dem eigenen Erfahrungsschatz an. Heutzutage reden wir häufig von Laptop-Trainern. Daran gekoppelt ist die Digitalisierung, an der kein Weg mehr vorbei geht. Weiterbildung ist wichtig. Es geht darum, unabhängig und zeitbefristet zusammenzuarbeiten.
Gab es aus der Fußballbranche keine Offerten?
Freund: Nein, da war keine passende dabei. Es sind in Deutschland tausende Fußballlehrer und Sportdirektoren auf dem Markt, nur gibt es lediglich rund 100 hauptamtliche Positionen in erster, zweiter, dritter Liga. Die Konkurrenzsituation ist enorm und jeder will in das Business. Ich habe entsprechend die Entscheidung getroffen, mein Wissen und meine Erfahrungen Vereinen und Verbänden in Zukunft zur Optimierung der vorhandenen Ressourcen anzubieten, statt zu Hause in Berlin zu sitzen und auf Angebote zu warten. Nebenbei bin ich mit TV-Sendern in Gesprächen bezüglich der Europameisterschaft in Frankreich. Im letzten Jahr habe ich die EM-Quali bei RTL Nitro als Experte begleitet und werde auch in diesem Job weiterhin arbeiten. Immer mit dem Anspruch, auf hohem Niveau zu informieren und zu unterhalten.
Was sagt der TV-Experte zu Jürgen Klopps ersten Monaten auf der Insel?
Freund: Ergebnismäßig lief es bisher durchwachsen und weiter steigerungsfähig. Man darf aber nicht vergessen, dass die Gesamtsituation bei Liverpool kniffliger ist. Klopp kam während der Saison, der Kader trägt nicht seine Handschrift, er muss erst seine neue Philosophie installieren. Zudem ist für ihn die Doppelfunktion Trainer-Sportdirektor neu. Diese vielfältigen Aufgaben zu vereinen, stellt eine große Herausforderung dar. Trotzdem: Er wird das schaffen.
Die Klopp-Mania ist jedenfalls ungebrochen: Wundert es Sie, welchen Kredit er bei den Fans genießt?
Freund: Es ist schön zu sehen und überrascht mich nicht. Er wird mehr Zeit bekommen, um das Team zu verändern. Es ist fast unmöglich, sofort konstant erfolgreich zu sein, dafür ist die Premier League in der Breite einfach zu stark. Nach Brendan Rodgers musste ein Umbruch her und die Fans spüren, dass sich etwas bewegt. Vor drei Jahren gab man unter Rodgers die Meisterschaft aus der Hand, von der man seit Ewigkeiten träumt. Nun herrscht wieder Euphorie.
Klopp und Liverpool – das scheint mehr als ein Arbeitsverhältnis zu sein.
Freund: Ich denke schon. Liverpool ist ein sehr emotionaler Verein mit unglaublicher Tradition. Wenn da ein Trainer wie Kloppo an der Seitenlinie steht, der mit Leib und Seele dabei ist, richtig mitlebt, was auf dem Platz passiert, fasziniert das. Engländer gehen ins Stadion und feuern ihre Mannschaft an, sie stehen hinter ihr bis zur letzten Minute. Einer wie Klopp passt da rein. Für mich ist das eine Partnerschaft, die Erfolg bringen wird.
Zwei Möglichkeiten dazu verbleiben – die erste bietet sich im Capital One Cup: Schlägt Klopp gegen Manchester City erstmals zu?
Freund: Das wäre ihm zu wünschen! Das Finale findet im Wembley Stadium statt und halb Liverpool wird sich auf den Weg nach London machen. Jede englische Mannschaft und deren Fans hoffen Jahr für Jahr, ein Finale dort zu spielen. Es wird für Klopp ein unvergesslicher Tag, hoffentlich mit Happy End.
Am Donnerstag steht zunächst das Europa-League-Rückspiel an: Wird Augsburg zum Stolperstein?
Freund: Das ist nicht unmöglich für den Außenseiter. Stellen wir uns einmal vor, Augsburg trifft zum 1:0! Ich persönlich denke allerdings, der FC Liverpool wird sich mit dem Heimvorteil an der Anfield Road am Ende knapp durchsetzen.
Wohin kann der Weg für die Reds führen?
Freund: Der Weg kann ganz nach oben führen. Liverpool bietet alle Voraussetzungen dafür. Nur, in England ist es aufgrund der extremen Konkurrenz schwieriger. Bleiben die Fans und das Umfeld mit Klopp und den Neuzugängen geduldig, wird der Traum von der Meisterschaft vielleicht irgendwann Wirklichkeit.
Mit Joel Matip wurde ein Mann für die Problemzone Abwehr geholt: Wie bewerten Sie den Deal?
Freund: Es ist ein perfekter Transfer für Liverpool, immerhin kommt einer der besten Innenverteidiger Deutschlands ablösefrei. Sollte er sich nicht durchsetzen, würden ihn alle Bundesligisten liebend gern zurückholen und noch viel Geld dafür bezahlen.
Ein anderer Deutscher ist unter Klopp zum Fixpunkt gereift: Emre Can. Sie hatten ihn vor einem Jahr als legitimen Nachfolger von Steven Gerrard auserkoren.
Freund: Die Aussage war vielleicht etwas forsch (lacht). Emre bringt alle Qualitäten mit. Er ist einer, der voran geht, keine Verantwortung scheut. Dass er mittlerweile auf seiner Lieblingsposition im Mittelfeld ran darf, tut ihm gut. Nur, Steven Gerrard zu ersetzen, ist fast unmöglich. Er konnte in allen Belangen den Unterschied ausmachen. Er erzielte wichtige Treffer, forderte Bälle, ordnete das Geschehen, war schlichtweg weltklasse. In diese Rolle muss Emre langsam wachsen. Er befindet sich auf einem guten Weg.
Goal TV: Liverpool vs. Manchester City, Sonntag ab 17.30 Uhr im LIVE-STREAM
Im ersten Jahr hatte er Anlaufprobleme. Ein gewöhnlicher Prozess, wenn man aus Deutschland in die Premier League wechselt?
Freund: Ich bekam bei meinem Tottenham-Debüt 1999 nach 60 Minuten keine Luft mehr, dabei war ich in Deutschland stets einer der laufstärksten Akteure. In England ist das Tempo weitaus höher. Das war damals und ist heute so. Es wird sehr aggressiv nach vorne gespielt und gegen den Ball gearbeitet. Besonders junge Fußballer wie Emre brauchen etwas, um sich daran zu gewöhnen.
Und gestandene wie Bastian Schweinsteiger?
Freund: Ich weiche nicht von meiner Ansicht ab, dass er sich durchsetzen wird. Bastian hat im WM-Finale gezeigt, was er für ein Tempo mitgehen kann. Es dauert aber, sich an den Rhythmus in England zu gewöhnen. In Anbetracht der hohen Belastung kam folgerichtig seine Verletzung. Wenn du zu schnell zu viel willst, steigt das Risiko. Jetzt heißt es, Geduld haben, hundertprozentig fit werden und spätestens nächste Saison durchstarten.
Die Presse spottet, er sei zu langsam, zu alt: Was halten Sie von der Kritik?
Freund: Was ich spüre, ist der immense Druck. Nach Alex Ferguson und den vielen Erfolgen sind die Ansprüche riesig. Man möchte schönen Fußball sehen, Titel gewinnen. Bastian soll dazu beitragen. Das Verletzungspech mit bis zu zwölf Spielern über die gesamte Saison schwächt natürlich ungemein. Ich denke jedoch, die Konstellation mit Louis van Gaal und ihm kommt sehr vielversprechend daher.
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