Manuel Neuer schnappte sich nach Schlusspfiff David Alaba, ein paar Meter entfernt im Mittelfeld drückte der im Krankenstand befindliche Jerome Boateng jeden einzelnen Spieler an seine Brust. Thomas Müller musste erst einmal die müden Muskeln dehnen, ehe er sich mit den Kollegen aufmachte zu den Fans in die Südkurve, um sich für das glückliche Ende eines bemerkenswerten Fußball-Abends feiern zu lassen.
Die Spieler des FC Bayern zeigten eine gedämpfte Freude nach dem 4:2-Sieg über Juventus Turin nach Verlängerung und das damit verbundene Erreichen des Viertelfinales der Champions League. „Ich bin mehr platt als euphorisiert“, gab Müller später zu. Die 120 Minuten gegen Juventus Turin, die Aufholjagd nach einem 0:2-Rückstand hatte Spuren hinterlassen, in mehrerlei Hinsicht.
Es überwog die Erkenntnis, die Wende weniger dank spielerischer Überlegenheit oder gar taktischer Finesse geschafft zu haben, sondern dass am Ende der Wille, ein bisschen Glück und diese „wahnsinnige deutsche Mentalität“, wie Trainer Pep Guardiola feststellte, den Ausschlag gaben.
Das Spiel in der Münchner Arena war geprägt durch Fehler. In der ersten Hälfte verteilten die Münchner großzügig Geschenke, zuerst in Form eines Missgeschicks von Alaba, das Paul Pogba zur Führung nutzte, dann führte der Ballverlust am gegnerischen Strafraum zu einem sehenswerten Konter. Gleich fünf Bayern-Spieler konnten Alvaro Morata nicht bremsen, ehe das Zuspiel Juan Cuadrado zum 2:0 vollendete.
In der zweiten Hälfte revanchierte sich Juventus generös, als es Robert Lewandowski sowie in der Schlussminute Müller zum Kopfball kommen ließ und damit das Resultat aus Hin- und Rückspiel egalisiert war.
In der Verlängerung hatte der FC Bayern den psychologische Vorteil – und die besseren Joker in Thiago und Kingsley Coman, die mit ihren Toren dieses „Herzfrequenzspiel“, wie es Karl-Heinz Rummenigge bezeichnet, vollendeten. „Das sind Spiele, die die Mannschaft zusammenschweißen und die dazu führen können, dass du weit kommst“, sagt der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern.
Er verzichtete allerdings darauf, weiter ein hohes Lied auf die Moral seiner Mannschaft zu singen, zu nah am Abgrund stand der 73 Minuten lang unterlegene FC Bayern, der vom hohen Pressing der Italiener überrascht war. Lieber lenkte er davon ab, dass die Münchner sich am Mittwoch keineswegs als einer der Favoriten auf den Champions-League-Sieg präsentiert hatten, in dem er die Ungerechtigkeit der Auslosung anmahnte und eine Setzliste wie im Tennis forderte.
Dass in Juventus der letztjährige Finalist bereits im Achtelfinale ausschied, aber auf der anderen Seite ein paar Begegnungen gegeben hätte in dieser ersten K.o.-Runde, „die man nicht sehen will“, sei nicht im Sinne des Wettbewerbs, sagte Rummenigge. Vor allem aber fand der Münchner Vereinschef wohl, dass man die Besten im Circle der Champions-League-Teilnehmer, zu denen der FC Bayern gehört, mit leichteren Gegnern belohnen solle.
Während dieses Manöver leicht zu durchschauen war und vermutlich nicht einmal beim FC Barcelona, der ziemlich souverän den FC Arsenal bezwang, für Dankesworte Richtung München sorgen wird, zündete Matthias Sammer ein richtiges Störfeuer.
Der Sportvorstand legte sich mit Uli Hoeneß an und kritisierte dessen jüngste Aussage, Guardiola sei in München angetreten, um das Triple zu gewinnen, als „dummes Zeug“. Es würde „völlig falsche Prioritäten“ setzen, findet Sammer. „Wie viele Male in der Geschichte von Bayern München – auch mit Uli Hoeneß – haben wir dieses lächerliche Triple gewonnen?"
Diese süffisante Frage dürfte nicht nur den ehemaligen Präsidenten Hoeneß nicht gefallen. Dass sich die Wünsche des Trainers sehr wohl mit denen des Vereins und der Mannschaft decken, und die Kritik den Satz von Hoeneß erst richtig in den Fokus rückte, ist eine ganz andere Sache. Die Münchner wirkten an diesem Abend verwundbar und nervös. Nicht nur auf dem Platz.
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