Das 87. Bundesliga-Derby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 war eine sehr lehrreiche Sache. Wir wissen jetzt: Klaas-Jan Huntelaar kann immer noch treffen. Bibiana Steinhaus zähmt als vierte Offizielle selbst Derby-Trainer. Und wenn Henryk Mkhitaryan sauer ist, sieht er aus wie ein 13-jährige Möchtegern-Gangster aus Berlin-Zehlendorf.
Die wichtigste Lektion des Derby lautet jedoch: Andre Breitenreiter nimmt keine Ratschläge von 11FREUNDE an. Am Donnerstag rieten wir ihm, im Derby etwas zu riskieren, offensiv spielen zu lassen. Er tat das genaue Gegenteil. Schalkes defensive Taktik ging eine Halbzeit lang gut. Dann stellte Thomas Tuchel seine Mannschaft um. Aber dazu später mehr.
Sané als Geheimwaffe
Beide Teams begannen ohne personelle Überraschungen. Andre Breitenreiter stellte im 4-4-2 auf. Einzige Überraschung: Leroy Sané startete im Zentrum, Franco di Santo ging dafür auf Rechtsaußen. Die Idee: Der schnelle Sané sollte Geschwindigkeit in die eigenen Konter bringen.
Thomas Tuchel schickte seine Elf im klassischen 4-2-3-1 aufs Feld. Der BVB spielte so, wie es für ihn typisch ist in dieser Saison: Dortmund suchte den Ballbesitz, ließ den Ball laufen, reihte Pässe aneinander. Schalke begnügte sich mit der Rolle des Verteidigers.
Außenverteidiger-Stürmer vs. Sechs-Mann-Betonmauer
Bei Dortmund spielten die Außenverteidiger gewohnt offensiv. Sie bewegten sich nach vorne in die letzte Linie und sorgten für die Breite im Spiel. Die Außenstürmer rückten dafür etwas ein. Shinji Kagawa ließ sich fallen, um den eigenen Aufbau zu unterstützen. Dortmund stand so im Aufbau in einer Art 2-3-5.
chalke konterte dies, indem sie die eigenen Außenstürmer weit nach hinten zogen. Franco di Santo und Max Meyer verfolgten die Dortmunder Außenverteidiger bis an den eigenen Sechzehner. Schalke verteidigte praktisch mit sechs Mann. Mit einem 6-2-2 bauten sie sich am eigenen Sechzehner auf. Nur Sechser Sead Kolasinac rückte ab und an aus diesem defensiven Gerüst, um Shinji Kagawa zu verfolgen. Ansonsten war defensive Stabilität das oberste Gebot der Schalker.
Sechs-Mann-Abwehr gegen den BVB
Schalke blockierte mit diesem Defensivplan die Dortmunder Angriffsbemühungen. Der BVB besetzte die frei werdenden Räume nicht, die Schalke durch die eigene Sechserkette öffnete. Stattdessen orientierten sich fünf Spieler an die letzte Linie. Dortmund konnte zwar den Ball gut durch die eigene Abwehr zirkulieren lassen, es fehlte jedoch der Übergang in die Mittelfeld-Räume. Diese waren in Schalkes Konstrukt durchaus offen.
Schalke wiederum stand defensiv zwar stabil, strahlte mit der eigenen Sechs-Mann-Abwehr aber kaum Kontergefahr aus. Die Außenstürmer waren so tief positioniert, dass sie lange Wege zurücklegen mussten, ehe sie anspielbar waren. Dortmund musste praktisch nur den Passweg ins Zentrum schließen, damit Sané nicht ins Spiel kam. Das gelang ihnen im Gegenpressing sehr gut.
Tore nach Patzern
Aufgrund der Offensivschwächen beider Teams gab es in der ersten halben Stunde praktisch keine Torchance. Erst durch Fehler gewann das Spiel an Fahrt. Erst war es Schalkes Abwehr, die den 1,75 Meter großen Kagawa zum Kopfball einlud (30.). Wenige Minuten später spielte Mats Hummels völlig unnötig einen Ball in die Füße des Schalker Mittelfelds. Klaas-Jan Huntelaar verwandelte den Konter (33.). Nur dank der Entschlossenheit von Matthias Ginter gegen Sead Kolasinac beim Kopfball nach einer Ecke ging Dortmund mit einer Führung in die Pause (43.).
Tuchels Halbzeit-Plan geht auf
Nach der Pause münzte Dortmund die Dominanz im Ballbesitz auch in Chancen um. Tuchel hatte sein Team in der Pause umgestellt. Dortmund agierte nun in einem 4-3-2-1. Mkhitaryan und Castro agierten zentraler und zugleich auch tiefer. Dortmund hatte mehr Präsenz im Zentrum.
Zentrum wird entscheidend geblockt
Gleichzeitig konnte Schalke nach dem Rückstand nicht mehr so tief stehen wie vor der Pause. Die Außenstürmer verteidigten nun nicht mehr ganz so tief, die Außenverteidiger rückten vermehrt auf. Das sorgte jedoch nicht für mehr offensive Durchschlagskraft, da Dortmund in der neuen Formation das Zentrum blockierte. Im Gegenteil: Schalke wurde anfällig für Konter. Pierre-Emerick Aubameyang erzielte direkt nach der Pause das 3:1. Dortmund hätte aber noch ein, zwei Tore mehr machen können.
Dortmund konnte in der letzten halben Stunde den Ball laufen lassen. Schalke wechselte nicht auf ein offensiveres Pressing. Selbst in der Schlussphase verteidigten sie oft in ihrem passiven 6-2-2. Dortmund brachte zwar Schalke durch einen Fehler zurück ins Spiel. Allerdings ließen sie in der Folge derart routiniert den Ball laufen, dass nichts mehr anbrannte. Schalke konnte höchstens über den Flügel vereinzelt Konter fahren.
Breitenreiters Plan A hat funktioniert. Die defensive Sechser-Abwehr drängte Dortmund vor der Pause in eine Struktur, die ihnen nicht lag. Nach der Pause fehlte jedoch ein offensiver Plan B. Nachdem Schalke im Rückstand lag, scheute Breitenreiter das Risiko. Am Ende gewann die Mannschaft, die offensiver dachte.
Gintman returns
Andere verkleiden sich als Superheld – Matthias Ginter ist einfach einer: Mit einem Tor und einer Vorlage entscheidet er das Revierderby. Hat immer an ihn geglaubt: der Ticker.
Am Sonntag ab 15:15 Uhr...
... stürzen wir uns in Eifer vonnet Gefec
15:02 Uhr
Guten Tag. Und gleich rein mit einer SKY-Blitzumfrage unter den Beteiligten: Was ist das Revierderby? Schalke-Keeper Ralf Fährmann sagt: »Ja, gut: Es geht um die Liebe und das Leben, für manche.« Toller Satz. Um ihn fehlerfrei aufzusagen, hat er ihn sich vorab auf den Unterarm tätowieren lassen.
15:06 Uhr
Noch so ein bewegendes Haiku zum Thema Derby bzw. das Leben an sich:
Grundsätzlich
sind das Momente,
die man nicht
missen möchte.
(Horst Heldt
15:08 Uhr
Wenn bei jedem »halt«, das Horst Heldt in seine Selbstrechtfertigungskaskade einbaut, sein Vertrag um eine Minute verlängert würde, könnte Heidel noch sehr lange Urlaub machen (»Wir müssen halt dagegenhalten, halt«).
15:14 Uhr
Unschöne Szene in den Katakomben: Die Keeper gehen aufeinander los.
15:21 Uhr
Norbert Dickel, der Michael der Ruhrpott-Folklore, stimmt die Fans ein. Und während man sich noch fragt, wo eigentlich Marianne ist, wird auch schon zu Kai Dittmann geschaltet. In diesem Sinne: Wann fangt denn endlich d' Musi an?
14.
Castro beim Kopfballversuch. Naja. Humor ist, wenn man’s trotzdem macht.
59.
In den Schalker VIP-Logen versucht man derweil, seine Sorgen zu ertränken.
65.
Weidenfeller arbeitet jetzt offenbar als Bademeister im Westfalenstadion, hält am Rand Ausschau, ob auch kein Schalker zu weit rausschwimmt. Der Mitch Buchannon der Bundesliga.
76.
Aber wie kam Huntelaar denn nun an der gesamten BVB-Abwehr vorbei. Keeper Bürki mit der schonungslosen Analyse: »Es war Lochfraß!«
17:37 Uhr
Jetzt reden vermeintlich erwachsene Männer über T-Shirts und Batman. Matthias Ginter, offenbar der letzte vernünftige Mensch in der Bundesliga, sagt dazu: »Mir ist nichts aufgefallen, er trägt ja öfter ein langärmeliges Oberteil.« Morgen früh bringt er seine Kollegen in die Kita und verdient dann das Geld, das sie für ihre Spielzeugautos ausgeben. Ginter, ich ziehe den Hut vor dir. Und mich jetzt zurück, um die Actionfiguren meines Sohnes zu zerbrechen. »Gute« Nacht, liebe Fans.
15:11 Uhr
Heldt und Breitenreiter sehen aus wie Zwillinge, die das Schicksal getrennt hat, der eine ist Gebrauchtwagenhändler geworden, der andere Schrauber, und eines Tages treffen sie sich unter der Hebebühne wieder. »Bist Du’s, Horst?« – »Das ist im Moment halt vollkommen uninteressant.«